Totenrede gehalten von Rudolf Heitmann

Musiker Robrahn 1925

Ihr habt begehrt, dass Ich Euch ein Wort des Trostes sage, In dem Augenblick, wo Euer Vater, Gatte und Freund, der Hausherr und Versorger für ewig aus Eurer Gemeinschaft scheidet, wo er hinweg geht aus den Räumen Eures Hauses und nun die nächtliche und die zeitliche und die ewigen.

Wer in diesem Augenblick nicht alles dessen gedacht, was er in. seiner Lebenszeit gewollt,' getan und erreicht hat, den wird die Dankbarkeit oft zu seinem Hügel treiben und sprechen: Mit frischen Blumen schmücke ich Dein Grab


Obiger Text ist gestrichen

da tobt durch die Erntezeit der Schmerz: Vaterherz, warum schlägst Du nicht mehr, Vaterhand, Du bist so kalt, Vatermund, Du bist so stumm. Aufstöhnt es mit Sturmes Gewalt: Vater? warum bist Du verstummt! Das Haus ist Stille, der Ackerwagen klappert nicht mehr, Feld und Stall trauert tief: Vater, Vaterherz, warum schlägst Du nicht mehr?

Aber das Ewige ist Stille - Laut die Vergänglichkeit, Schweigend geht Gottes Wille über den Erdenstreit. Und über die Felder im Abendgrauen wandert ein Zug, gar seltsam zu schauen. Voran der hagere Knochengesell, tönt mit der Glocke, hart und grell. grell. Sie schallt über Jugendgesang und Geigengetön und durch des Krieges Donnergedröhn. Und wer sie hört, der muss hinterdrein und sei es Kind, Greis, Weib oder Mann. Unschuldige Kindlein ziehen voran, die Alten humpeln hintendran. Vorüber, un-absehbar viel, sie wandern all nach dem einen Ziel. Mit Augen groß und starr und weit, die schauen schon in die Ewigkeit. Der Zug wandert, seit die Menschheit besteht und wandern wird er, bis sie vergeht. Aber trotz dieser Erkenntnis will Eure Klage, nicht verstummen. Mitten in der Durchführung großer Pläne, hinweg vom Aufbau seiner Wirtschaft, herausgerissen aus der Erntearbeit; Pflug und Sichel ruhen. Seine Arbeitslast, die er so gerne trug - ist abgeworfen. Morgens netzte der Tau seine Schuhe. Und wenn er abends hinter seinem. Pflug herging, pflügte er in die ausgebreiteten Arme der Nacht. Nie sah man in seinen Augen: Warum muss ich in Schweiß und Arbeit Euer Brot schaffen. Mit welchem Stolz hat er seine Roggen- und Weizenfelder betrachtet. Dies Jahr sollte ihn entschädigen für die harte Arbeit bei Tag und Nacht, für die Schwielen seiner Hände. Er holte aus der Erde das Brot, den schweren warmen Segen. Nun hat er Feierabend gemacht. Seine Ruhe ist tief und sein Mund, der zu Euch sprach, für immer verstummt. Aber sagt: War Euch sein Tod wirklich so überraschend, da es doch im Liede heißt: Mitten im Leben sind wir vorn Tod umfangen. Jemehr er sich unentbehrlich machte, desto mehr musstet Ihr zittern um ihn. Aber es ist so: Je höher die Arbeit sich anhäuft, desto mehr Kräfte werden eingesetzt, muss es so allmählich kommen, dass der Baum entwurzelt wird von dem Sturm, der unaufhörlich rast. In diesem Ringen schaut der Mensch nur auf den neuen Arbeitszettel, den der Tag am Morgen zeigt, aber nicht in das Buch des Lebens, darum predigt dieser Sarg, überall wohin wir schauen eine Zweiheit. In dem Tag sind Licht und Finsternis. In dem Menschen Leib und Seele. In der Welt Gott und Natur, sind Himmel und Erde. Das Endlich und das Un-endliche. Das führt uns zu der Frage: Welches Schicksal seiner wartet. Grethe sagt: Mich lässt der Gedanke an den Tod in völliger Ruhe; denn ich habe die feste Überzeugung, dass unser Geist und Wesen ist ganz unzerstörbarer Natur, es ist ein fortwirkendes von Ewigkeit zu Ewigkeit, es ist der Sonne ähnlich, die bloß unsern irdischen Augen unterzugehen scheint, die aber eigentlich nie untergeht, sondern unaufhörlich fortleuchtet. Daraus leite ich ab: Aus Tod und Vergehen glänzt golden die Hoffnung aufs Auferstehen - Und Arndt sagt: Wir gewinnen im Tode mehr als wir

verlieren, Für die Sünde bekommen wir die Gerechtigkeit, für Elend - Herrlichkeit, für zeitlichen Reichtum ewige Güter für zeitliche Freundschaft - ewige Brüderschaft im Himmel für den sterblichen kranken Leib, einen verklärten himmlischen - für Unruhe - Frieden - für diese Welt das Paradies. Lass drum die welken Blumen des vergänglichen Glückes fahren: Nur die Leiber modern im Grabe, aber die Geister - von irdischen Hüllen durch den Tod befreit eilen in die Unendlichkeit - in die Sonnen des Lichts, in den Schatten des Himmels. Alles geht - alles kommt zurück, ewig rollt das Rad des Seins. Alles stirbt - alles blüht' wieder auf - ewig läuft das Jahr des Seins. Alles bricht, alles wird neu gefügt. Ewig baut sich auf das Haus des Seins, Alles scheidet - alles grüßt sich wieder, ewig bleibt sich treu der Ring des Seins. 0 lieb, solange Du lieben kannst, o lieb, solange Du lieben magst. Die Stunde kommt, da Du an Gräbern stehst und klagst. Und frage dass Dein Herze glüht - Und hüte Deine Zunge wohl, (?) so lang —

Der Abend wird Euch von nun an zur Andacht rufen. Der ersterbende Tag weist auf sein Sterben, der Abendtisch an sein letztes Mahl. Als jeder von Euch sein Brot hatte, rief ein höherer ihn. ab. So wie er von Euch gegangen ist, lebt er im Gedächtnis aller. In voller Rüstigkeit, im, besten Mannesalter, ohne den Zerfall seiner Kräfte, rasch ohne Träumen tritt der Tod ein und sagt: Nun ist es genug. Komm. Hier endete das Leben, ein Schlag™ und dann ist Fei-

Wir stehen vor den Augen des Allmächtigen. Vor uns habt ihr sein schweres Opfer aufgerichtet: Bekomm ihn: Herr, Dein Wille geschehe, Deine Gedanken sind nicht unsere Gedanken und Deine Wege nicht unsere Wege; So hoch der Himmel höher ist als die Erde —— Dein furchtbarer Ernst erschreckt uns, wehe auf dem Dein Zorn liegt, aber Du sprichst: Wir sollen und, wir sind schutzlos in Deiner Hand. Niemand kann uns Dir entreißen. Du hast´s gegeben, Du hast´s genommen. So lasst uns den Entschlafenen hinaus begleiten zu seiner letzten Ruhe, Ihr aber, die ihr um seinen Heimgang in so tiefe Trauer versetzt seid, schließt die schwere Lücke durch größere Liebe unter einander. Es gibt nur ein Glück: Die Pflicht und nur einen Trost: Die Arbeit. Diese beiden Gestirne leiten Euch durch das Tal des Todes und die Schatten der Nacht, einem neuen Morgen entgegen, Stummer Schläfer, Du bist eingegangen in die ewige Ruhe. Dein Ausgang und Eingang sei mit Gott.