Totenrede gehalten von Rudolf Heitmann

Liebe Leidtragende !

Die Totenklage will nicht verstummen. Immer von neuem hebt sie an. Immer furchtbarer werden die Opfer, die meine geliebte Gemeinde bringen muss. Auf den lebensmüden Greis daunten folgt die Frau. Heute ist`s eine Menschenknospe von 17 Jahren. Bis zum Himmel hinauf dringt die Wehklage: Halt` ein. Lass es genug sein, unergründlicher Gott. Auch ihr lieben Leidtragenden habt euer schweres Opfer aufgebahrt. Auf weißen Kissen liegt sie gebettet. Starr hingestreckt hat sie des Todes Macht. Ihr Schlaf ist fest. Weder die Donner des zürnenden Gewitters, noch die hellauflodernden Blitze wecken sie auf. Eure Klage dringt nicht bis an ihr Ohr. Das Auge hat sich für immer geschlossen. Nichts stört sie in ihrem eisigen Schlummer. Die schaffenden Hände ruhen, fest ist ihr Mund geschlossen. Ein junges blühen­des Leben hat seinen Abschluss gefunden. An ihr hing euer ganzes Herz. Stets war sie um Euch eine Hülfe im Haus, ein liebendes Kind ohne Arg. In ihr setzt ihr Eltern Eure Jugend, sie war der Mittelpunkt des Hauses Sie war Liebling Sorgen- und Schmerzenskind zugleich. Von vielen Krankheiten war sie oft genesen. Nun schreckt Euch wovor Euch längst gegraut. Nun schweigt ihr Mund, die Hände ruhen ewig aus. Ich nehme Anteil an Eurem schweren Schmerz. Sie war meine Schülerin, ich habe nichts an ihr gefunden, was unrecht wäre. Sie war still, gut und treu Sorglos und froh ihr Gemüt, friedlich und genügsam ihre Seele. Wie ihr Leben, so auch ihr Tod, ohne dass sie das Sterben recht ahnt, nimmt der Tod sie rasch und schmerzlos hinweg. Nach 5 Wochen im Krankenhaus und schmerzensreichster Trennung von den Ihrigen, stirbt sie zu hause in treuer Obhut ihrer Mutter. Ihre letzte Sorge weilt bei dem unmündigen Kind, das sie gerne betreut und geliebt hat. die wehen Wochen sind vorüber, Euer Kind ist eingeschlafen. Wer, wie sie zum Frieden Gottes einging, darf fragen: Wer ist glücklicher denn ich? Darum setzet liebe Leidtragende Euer Trauermaß und Ziel. Ihr empfingt in der Krankheit ein Zeichen von oben. Das Leben zerfällt wie nichts. Eine Handvoll Staub ist unser Teil. Mitten wie im Leben sind wir vom Tod umfangen. Scheinbar ganz willkürlich tritt er ein bei alt und jung, bei reich und arm, bei vornehmen und geringen. Heute hier und morgen da. Wenn nun aber dies kein Trost sein kann gegenüber der Frage: warum musste unser Kind so jung hinweg? So lasst Euch trösten mit den Wor­ten: Meine Gedanken sind nicht Eure Gedanken, und Eure Wege sind nicht meine Wege spricht der Herr, denn so hoch der Himmel höher ist als die Erde, so sind meine Gedanken höher als Eure Gedanken und meine Wege denn Eure Wege. Keines Menschen Kunst noch Kraft kann das Dahinwelkende, dem Tode verfallene Leben für die armen Eltern retten. Wir stehen vor den Augen, des Allmächtigen und fragen betend: Herr, Dein Wille geschehe, wir sind schutzlos in Deiner Hand. Niemand kann uns die ent­reißen Unbegreiflich sind Deine Gerichte und unerforschlich Dein Weg Dies junge Menschenkind reißt Du hinweg aus den Armen der Mutter. Du nimmst ihr höchstes Glück das sie auf Erden hat. Nimm alles Glück in eins zu sein, was in der Welt ist, so hast durch Mutterglück. Presse alles Leid in Gefühl, so hast Du die Schmerzen der Mutter um ihr Kind, Sie hat dies Kind genährt, getragen und liebt es bis in den Tod. Sie rechtet nicht mit Dir, sie kann aber auch ihr Kind nicht vergessen. Du gibst und nimmst. Du hast ihr Kind geschlagen mit Siechtum und Grossen Schmerzen, obwohl es nie Unrechts tat. Dies tatest, Du damit es Dein sei ewiglich. Dein furchtbarer Ernst erschreckt uns. Wehe dem, auf dem Dein Zorn liegt. Du bist doch die Liebe, darum erbarme Dich, Herr der Armen. Wenn die Zeit kommt, fallen die Blätter von den Bäu­men. Oft ist Sturm, oft Winterfrost, ein gewaltiger Stoß erschüttert das Haus, In Deiner Jugend Schönheit, junge bräutliche Schläferin zieht Mutter Erde Dich an sich. In Deinem jetzigen Bilde bleibst Du im Gedächtnis der Deinen. Nur was irdisch ist an Dir, geben wir der Erde wieder. Dieser sterbliche Teil ruhe in Frieden bis zum Tage der Auferstehung. Des Wunder wegen und der Lerche Gesang sei dein Schlummerlied, Du hast überwunden. Frei von allen Banden - aus großen Schmerzen gehoben - wird der Unergründliche diesen Sarg auftun und Dich stumme Schläferin wiedererwecken. So gehe denn hin im Namen des Herrn. Deine Lieben geleiten Dich zu Deiner Ruhe. In Deinem engen Kämmerlein warte auf den Auferstehungsmorgen. Dann wirst Du alle Deine Lieben wiederfinden und mit ihnen vereint sein ewiglich. Wir aber setzen uns mit Tränen an Deinem Hügel nieder. Hat zwar der Tod eine schwere Lücke gerissen, in Eure Familie, so verdeckt sie durch größere Liebe untereinander. Nur glücklich ist, wer das vergisst, was einmal nicht zu ändern. Der Toten sollt ihr das Gedächtnis bewahren, aber auch den Liebenden muss ihr Recht werden. Bauet weiter Euer Haus. Von dem großen Gram und Kummer wird eifrige Arbeit das meiste fortnehmen. Sie ist Trösterin und Helferin zugleich.


Lasset uns die Entschlafene hinaustragen zu Ihrer letzten Ruhestatt. Der Herr schütze Ihre Ruhe im Grabe. Ihr Ausgang und Eingang sei gesegnet.


Vater droben in der Höhe,

heilig sei Dein Name uns!

Komm uns näher, wend' die Not

Schenk uns unser täglich Brot

Vergib uns allen unsere Schuld!

Schenk uns Deine Gnade und Huld

Dein ist alles, auch das Sterben

Lass uns Deinen Himmel erben.



(Entwurf der Totenrede, gehalten von Küster u. Lehrer Rudolf Heitmann)