Die Horste an der Wakenitz
Schon früh entwickelte sich die Fischerei im Gebiet der Stadt Lübeck. Die nahe den Fanggebieten gelegene Stadt gewährleistete den Absatz des Fanges, und alte Rechte und Privilegien sicherten den Fischern ihre Fanggebiete.
Die Fischerei spielte in Lübeck eine so große Rolle, daß schon Friedrich Barbarossa der Stadt Lübeck 1188 in seinem Privileg das Fischen auf Trave, Wakenitz, Stecknitz , Stepenitz, Radegast und M a u r i n e zugesprochen hat. Durch Friedrich II. wurde dieses Privileg in dessen Reichsfreiheitsbrief von 1226 ausdrücklich bestätigt.
Lübecks Fischer bildeten vier Ämter:
die Stadt- und Altenfährerfischer
die Domfischer,
die Wakenitzfischer und
die Gothmunder- oder Travefischer
Alle vier Fischerämter unterstanden politisch dem großen Amt der Schuster. 1867, mit Einführung der Gewerbefreiheit, verloren die Fischerämter an Bedeutung und gingen ein. Statt dessen wurden 1870 Genossenschaften gebildet.
Die Zahl der Fischer auf der Wakenitz ging auch zurück. 1870 wurde der Vertrag mit Lauenburg geschlossen, der ein Befischen des Ratzeburger Sees untersagte. Als Gegenleistung stimmte Lauenburg einem großen „Schonrevier“ um Rothenhusen zu, sonst hätte ein Abfischen der in den Fluß ziehenden Fische diesen veröden lassen. Die festgelgte Höchstzahl von 11 Fischereibetrieben wurde nicht mehr erreicht, sondern 1970 wurde die Fischerei auf der Wakenitz eingestellt. Der letzte Fischer war Heinrich Schmidt vom Fischereibetrieb Goldberg.
Die älteste Rolle des Lübecker Fischeramtes ist bereits 1399 abgefaßt und enthält in erster Linie Bestimmungen über den Fischfang und den Fischverkauf.
Die Fischer des dritten Amtes, also die Wakenitzfischer, wohnten bis ca. 1650 fast ausnahmslos innerhalb der Stadtmauer in der unteren Hüxstraße, der unteren Fleischhauerstraße, an der Mauer und zum Teil in den dortigen Gängen.
Um die günstigen Fangzeiten und Fangstätten besser nutzen zu können, blieben sie die Nacht über außerhalb der Stadtbefestigung. Zu diesem Zweck wurden von den Fischern einfache Schutzhütten an günstig gelegenen Plätzen errichtet. Die Schutzhütten bestanden aus vier Eckpfählen, deren Zwischenräume mit Baumrinde und Schilf bekleidet wurden. Der Bau dieser Hütten bedurfte der Genehmigung des Rates der Stadt, und es mußte eine Grundheuer entrichtet werden. In der Regel mußten sie bis Martini (11.November) wieder geräumt sein.
Waren die Übernachtungsstellen schon zu Schutzhütten geworden, dann dauerte es nicht lange, daß die Stadt nur noch zum Absatz des Fanges aufgesucht wurde.
Die ersten Beläge für den Bau von festen Wohngebäuden finden sich auf Absalonshorst. Dort ist noch ein alter Türbalken mit der Zahl 1669 zu finden. Leider ist die Zahl nicht mehr sichtbar, da dieser Balken verkleidet wurde. Dies muß wohl der alte Hauseingang gewesen sein. Auf Haberhorst lebte nachweislich schon 1645 der Fischer Asmus Damm. Er wurde 1673 in Groß Grönau beigesetzt.
An der Wakenitz entstanden so durch allmählichen Ausbau der Schutzhütten die Einzelsiedlungen der "Horste" , von denen drei den bezeichnenden Namen "Fischerbuden" führten.
Da der Stadt Lübeck größtenteils nur ein schmaler Uferstreifen außerhalb der Sumpf- und Bruchzone gehörte, war ein Landerwerb größeren Ausmaßes für die Bewohner der Horste nicht möglich. Daraus ergab es sich, daß hier wirklich fast ausnahmslos nur Fischer siedeln konnten. Zudem war der größte Teil der Horste vom Hinterland her kaum, oder wie die Insel Spieringshorst, überhaupt nicht zu erreichen. Dieses änderte sich erst am Anfang des 19.Jahrhunderts, als die Bürger der Stadt die Schönheit des Flusses erkannten und aus einigen Fischereigehöften Gaststätten wurden.
Die Bewohner der Horste hatten für jedes Haus, aus dem Rauch aufstieg, ein Huhn, das sogenannte,,Rauchhuhn" , an die für sie zuständige Kirche St. Aegidien zu entrichten. Erst 1846 wurde diese Naturalabgabe durch Geldzahlung abgelöst. In einem Dekret heißt es:
„ Den Bewohnern der Horsten in der Wakenitz wird hierdurch
Nachricht gegeben, daß dieselben nach der von Einem Hoch-
edeln Rathe per Decretum vom 17.Januar 1846 gänzlich und
für immer geschehenen Aufhebung der Natural-Lieferung von
Rauchhühnern jährlich im Januar und für das laufende Jahr
sofort eine in die Stadtcasse fließende Abgabe von fünf
Schilling für jedes bisher zu liefernde Rauchhuhn an den
mit der Eincaßirung beauftragten Fischer Aeltermann Voß
zu verabfolgen haben.
Lübeck aus dem Finanz-Departement, den 23.Februar 1846 "
Kurz vor dem Ersten Weltkrieg löste man diese Abgabe durch eine einmalige Zahlung ab, da sie wegen ihres geringen Geldwertes regelmäßig von den Fischern „vergessen" wurde und dann von einer Amtsperson einkassiert werden mußte.
Erst viel später erlosch auch der Brauch, Pastor und Küster von St. Aegidien zur Jahreswende mit einem Geschenk von Fischen zu bedenken,wofür andererseits die sonntägliche Fürbitte um guten Fang entfiel.
Die Bezeichnung der Horste richtete sich lange Zeit nach dem jeweiligen Bewohner oder nach der Lage.
So findet man in einer Pachtparzellen-Aufstellung im Jahre 1881
f ü r A b s a l o n s h o r s t die Bezeichnung Weidmannshorst
f ü r Hundtenhorst die Bezeichnung Süverkrophorst und
f ü r Müggenbusc h die Bezeichnung Mustinhorst.
1725 findet man in Kirchenbüchern für die Insel S p i e r ingshorst die Bezeichnung Hüxtertorhorst und 1866 Horst beim Fischerbuden.
Die meisten Fischerhäuser wurden um 1700 als sogenanntes „Ständerhaus mit Kübbungen" gebaut. Hier zeigt sich offenbar die Verwandtschaft zum Mecklenburger Bauernkaten, woraus zu schließen ist, daß Handwerker aus dem benachbarten Mecklenburg beim Bau geholfen haben.
Im Lauf der Jahre veränderten sich die Gesichter der Häuser, die Besitzer wechselten ebenso, wie auch die Verwendung, und bis auf Habershorst, Absalonshorst und Spieringshorst sind die alten Fischerhäuser abgerissen.
Allgemeines
Daß die Bürger- und Brauerwasserkünste am Hüxterdamm ihr Trinkwasser aus der Wakenitz entnahmen und durch hölzerne Leitungen in die Stadt pumpten, nachdem es kurz vorher mit den Abfällen vom Küterhaus (dem Schlachthaus auf Pfählen über dem Wasser unterhalb der Fleischhauerstraße) und den Exkrementen der Nonnen und. Mönche aus dem St. Johannis Kloster angereichert worden war, nahm man unbeanstandet hin. Doch wehe, wenn der Brauerknecht unberechtigt Aale am Wehr gefangen hatte, dann gingen die Fischer vor die Wette.
Zu einer Verhandlung ist es 1855 gekommen, als zwei Wakenitzfischer von dem Badeanstalt-Besitzer Otte an der Falkenwiese mit „Brüggelsteinen" beworfen wurden. Otte rechtfertigte seine Handlung damit, daß die Fischer, wenn Damen badeten, mit ihren Netzen das Wasser getrübt und unbescheiden in die Badeanstalt hineingesehen hätten. Eine von den Fischergesellen vorgeschlagene Gesellen-Krankenlade hielt man nach Anhörung der Älterleute von Seiten der Wette für nicht erforderlich.
1766 wurde durch ein "Decret" den Fischern der "Befehl Eines Hochweise Rathes mitgeteilt, daß sie in Zukunft bei Erfahrung eines Ertrunkenenungesäumt bei möglichster Geschwindigkeit, es sey Tag oder Nacht, den Körper aus dem Wasser helfen, und in das nächste Haus, auch wenn es immer thunlich, nach Abziehung der nassen Kleidung in ein warmgemachte Bett zu bringen und wohl zuzudecken. Bei Nichtbefolgung dieses Befehls sey Leibesstrafe unausbleiblich".
1767 wurde dieses Decret noch einmal bekanntgernacht.
1770 wurde den Fischern bei Androhung von Freiheitsstrafen und Verlust der Kähne verboten, Kindern das Fahren in denselben zu ermöglichen, weil dabei der zwölfjährige Knabe eines Bürgers ertrunken war.
1833 reichte Johann Heinrich Habers ein Gesuch ein, in dem er um Erlaß seiner Pachtrückstände, sowie die Senkung der jährlichen Pacht von 400 Mark auf 200 Mark bat. Hierzu wurde die anderen 9 Fischer der Wakenitz angehört und bestätigten die finanziellen Probleme. Hier wurde auch erwähnt, daß zu dieser Zeit von ehemals 15 Fischern nur noch 9 ihrem Handwerk nachgingen. Johann Heinrich Habers erwähnt auch, daß er nicht mehr selbst fischt, sondern seine Fischerei an Matthias Lütgens verpachtet habe. Außerdem waren noch folgende Fischer aufgelistet:
Steffens
Johann Ludwig Peter Voss
Georg Friedrich Vollert
Matthias Lütgens
Johann Vollert
Peter Hinrich Vollert
Jürgen Lüthgens
Jacob Daniel Runge
Johann Weidemann
des Pächters vertretender Fischer Schmidt.
Ein Problem für die Fischer waren ihre sogenannten "Korbwarder". Das waren kleine, künstlich angelegte Häfen vor ihren Horsten, in dene Anlegestege, Kähne, Fischbehälter usw. gegen Wind und Wellenschlag geschützt waren. Sie bestanden aus schwimmenden "Inseln", die in Verlan-dungszonen mit langen, sichelförmigen Messern abgeschnitten und dann an den vorgesehenen Ort gezogen wurden. Hier verankerte man sie so mit Pfählen, daß sie vor der Anlegestelle ein etwa 10 x 20 m großes Rechteck mit einer Ausfahrt Öffnung bildeten.
Der systematischen Vertiefung der Wakenitz durch Baggern auf 2,5 m nach dem Zweiten Weltkrieg und dem zunehmenden Motorbootverkehr waren diese schwimmenden Inseln nicht mehr gewachsen. Sie verloren ihren Halt oder lösten sich durch Wellenschlag auf. Ein Fischer auf Spieringshorst versuchte in vielen Prozessen zu erreichen, daß das Wasser innerhalb seines Korbwarders sein Eigentum sei und zu seinem Grundstück gehöre. Sein letzter Versuch wurde um 1900 vom Reichskammergericht abgewiesen.
Bezugspunkte bei der Grundstücksvermessung auf der Insel Spieringshorst waren noch 1866 Kopfweiden, deren Zweige regelmäßig von den Fischern geschnitten wurden und aus denen sie im Winter ihre Reusen, die sogenannten "Hecht-, Schlei- und Aalkörbe" geflochten haben.
Pachtverträge um 1755 wurden von den Altermännern noch mit drei Kreuze unterzeichnet.
Die Wakenitzbereisung
Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts wurde bis 1848, also 200 Jahre lang, regelmäßig die Wakenitz befahren. Früher in längeren Zeiträumen, zuletzt alle zwei Jahre von den Herren der Wette und des Bauhofes. Befahren wurde die Wakenitz und der untere Teil des Ratzeburger Sees, um die Rechte der Stadt zu wahren und sich vom Zustand des Fahrwassers, von der Beschaffenheit der Grenzen und von der genauen Beobachtung der in Bezug auf die Fischerei erlassenen Anordnungen zu überzeugen. Seit der Franzosenzeit wurde auf alles Festliche verzichtet, während die Bereisung früher mit vielen Feierlichkeiten verbunden war. In Wagen, die vom Marstall und vom Bauhof gestellt wurden, begaben sich die Mitglieder des Rates, in Begleitung des Stadtbaumeisters, des Marktvogtes, des Vorsitzenden der Wette und eines Senatssekretärs, der mit der Führung des Protokolls beauftragt war, zum Fischerbuden. Hier bestiegen sie ein größeres, der Stadt Lübeck gehörendes LustbEhet, das von den Arbeitern des Bauhofes und von Soldaten der Stadtmiliz gerudert wurde. Hier schlossen sich auch die Wakenitzfischer, deren Zahl 14, später 16 betrug, mit ihren Booten an. Bei der Fahrt stromaufwärts wurde genau darauf geachtet, ob sich die Herrenburger und Grönauer Bewohner an den Lübecker Rechten und Grenzüberschreitungen schuldig gemacht hatten. Dieses wurde im Protokoll festgehalten, um sich später bei den benachbarten Regierungen zu beschweren. Diese haben aber nur selten etwas dagegen unternommen. Bei dieser Bereisung wurde auch nachgesehen, ob der Stadtbaumeister die nötigen Vorkehrungen getroffen hatte um die Wassertiefe zu erhalten und das Kraut zu beseitigen. Die Austiefung wurde anfangs mit dem Handketscher, später durch die sogenannte Schlammühle vorgenommen. Da bei diesen Arbeiten sehr viel Unrat wieder in die Wakenitz fiel, wurde in den neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts ein Bagger eingesetzt. In einem Protokoll von 1794 heißt es, durch die Mühle und den Bagger wurde Schlamm ausgetrieben und an Land geworfen. Den ganzen Sommer waren acht Arbeiter mit der Vertiefung und Reinigung beschäftigt, trotzdem wurden wiederholt Klagen laut, daß die Schiffahrt durch Kraut behindert werde. Sobald das Lustschiff mit den Fischerbooten sich Rothenhusen näherten, das als Grenzposten mit einer Wache versehen war, wurden aus den dort befindlichen drei Geschützen Salut geschossen, zuletzt geschah dieses im Jahre 1810. Die Wachposten haben aber nicht immer auf dieses Ereignis reagiert. Laut Protokoll von 1673 konnten sie nicht schießen, da die Geschütze in einem erbärmlichen Zustand waren und sie auch kein Pulver hatten. Von Rothenhusen wurde der Ratzeburger See befahren. Zuerst wurde aber untersucht, ob auch Lauenburger Fischer an verbotenen Stellen Fischkörbe ausgesetzt hatten. Fanden sich solche, wurden sie aufgenommen oder mit dem Ruder zerstört. "Wenn es alle Woche geschehen”, heißt es im Jahre 1641, “und die Körbe dergestalt vernichtet würden, sollte endlich den Seeräubern verdrießen und dieses Gewerbe müde werden." Es wurde auch nachgesehen, ob ein Lauenburger Fischer unbefugt den Fischfang im Lübecker Raum betreibt, dieses war selten der Fall, da sich die Befahrung der Wakenitz schon vorher herumgesprochen hatte und sich jeder hütete, zu diesem Zeitpunkt auf dem See zu sein. Als dennoch 1673 ein solcher Fischer nahe Rothenhusen erblickt wurde, befahlen die Herren, wie es im Protokoll heißt, auf ihn loszugehen. "Er hat aber unsere Ankunft nicht wollen abwarten, sondern ist mit großer Arbeit und genauer Noth in Nobiskrug hineingeschlichen und hat sein Fischerbötlein vom Strande ans feste Land gewälzt". Wenn es keine Fischerkörbe zu zerstören gab oder Fischer zu verfolgen, fuhr man zu dem Mecklenburger Dorf Campow, wo bei einer oberhalb der Ortschaft gelegenen kleinen Schlucht ausgestiegen wurde, um das dort befindliche Grenzzeichen des Lübeck zuständigen Teiles des Ratzeburger See zu begutachten. Die hohe Buche, die in der Verkaufsurkunde des Herzog Albrecht II. von Sachsen vom 19. Mai 1291 (siehe Urkundenbuch der Stadt, Verein für Lübeckische Geschichte Teil I, 1843) erwähnt ist, war Mitte des 17. Jahrhunderts nicht mehr vorhanden. An ihrer Stelle war eine andere Buche gewachsen, in welche das Lübecker Grenzzeichen eingebrannt war. Als die Buche in der Mitte des 18. Jahrhunderts von den Bewohnern des Bistums Ratzeburg gefällt war, bildete ein großer ovaler Felsblock das Grenzzeichen, auch der ist heute nicht mehr vorhanden. Nach der Besichtigung des Grenzzeichens wurde auf das Wohl der Stadt Lübeck ein Glas Wein getrunken. Ein mitgebrachter Trompeter ließ seine Trompete erschallen und die Fischer schossen ihre Büchsen ab. Dann wurden wieder die Boote bestiegen und unter Trompetenschall und Büchsenknall wurde der Ratzeburger See überquert zum Dorfe Pogeez. Hier wurde aber nicht angelegt, sondern es wurde gewendet und nach Rothenhusen zurück gefahren. Vorher überzeugte man sich, ob die Lübecker Fischer dem ihnen Jahr für Jahr erteilten Auftrag nachgekommen waren, das Schilf zu mähen, eine Arbeit, die von den Wakenitzfischer als Graskrieg bezeichnet wurde. Sobald die Boote wieder in die Wakenitz einliefen, wurde erneut von Rothenhusen aus Salut geschossen. Die Fahrt ging dann weiter bis Falkenhusen oder bis zum dritten, Anfang 1800 bis zum zweiten Fischerbuden. Hier war inzwischen auf Einladung der Herren der Wette ein herrliches Mittagessen hergerichtet. Meistens waren nun noch einige Ratsmitglieder und zuweilen auch die Frauen der an der Fahrt beteiligten Personen erschienen. Bei diesem Essen ging es nach alter Sitte hoch her. Von den Dienern des Rates, die man hatte nachkommen lassen, wurde eine Fülle von Speisen aufgetragen, dazu gab es Rheinwein, Malvasier und Rommeldeuß, später auch Rotwein und Champagner. Den Getränken wurde kräftig zugesprochen. Um den Frohsinn noch zu erhöhen lieferte eine 5 Mann Kapelle eine heitere Tafelmusik. Gleichzeitig wurde für die Fischer, die Diener und das gesamte sonstige Gefolge eine Tafel hergerichtet, an der ging es ebenso feuchtfröhlich zu. Nach der Mahlzeit fuhren die Herren und Damen in den von Marstall und Bauhof gestellten Wagen nach Lübeck zurück. Bei schönem Wetter wurde die Wasserfahrt bis zur Schafferei fortgesetzt, hier warteten dann die Wagen, um die Festgenossen nach den vielen Anstrengungen des Tages sicher in ihre Wohnungen zu bringen.
Wie sahen nun die Kähne und Fanggeräte der Fischer aus? Hier läßt sich nur noch beschreiben (annähernd genau), was in Gebrauch war.
Als "Meister- oder Fischkahn" wurde ein flacher, 6 m langer, 1 m breiter und an jedem Ende spitz auslaufender Kahn aus Eichenholz bezeichnet. Die Enden des Kahns bestanden aus einem Stück, waren der Kahnform entsprechend ausgearbeitet und hießen "Kropp". Die Seitenhöhe betrug in der Mitte 50 cm. Der Boden und die Seitenwände bestanden aus Eichen bohlen von 4 bis 5 cm Stärke und mußten von einem Stamm sein, damit sie sich später nicht ungleich verzogen. Das nur astreines Holz verarbeitet wurde, versteht sich von selbst. Gepflegt wurden die Kähne mit "schwedschem" Kienteer.
Zwei hölzerne "Duchten" trennten den 2 m langen Mittelteil gegen die Enden hin wasserdicht ab. Dieser mittlere Teil konnte über 2 bis 4 "Proppenlöcker", die sich im Boden und in den Seitenwänden befanden, mit frischem Wasser gefüllt werden, um die gefangenen Fische lebend zu transportieren. Damit sie während der Fahrt nicht heraussprangen,wurde dieser Teil des Kahnes mit drei "Schweffbrettern" abgedeckt. Eine oder beide Duchten hatte in der Mitte ein "Segellock" zur Aufnahme des Mastes mit dem "Spreetsegel". Mit diesem Kahn wurden die meisten Arbeiten verrichtet. Eine kleinere und leichtere Abart war der etwa 4 bis 5 m lange "JageIkahn" , mit dem, im Gegensatz zu dem eben beschriebenen, nur ein Mann fuhr. Von diesem Kahn aus fischte man mit dem "Striek-up" dem "Jagelnetz" oder später mit dem "Staaknetz".
Für die Zugnetzfischerei mit der "Wade" wurden zwei größere, etwa 7 bis 8 m lange und entsprechend breitere "Wadenkähne" verwendet, in deren Mittelteil je eine Hälfte des Zugnetzes untergebracht werden konnte. Je nach Art und Größe der Wade fuhren in jedem Kahn 2 bis 4 Mann. In den Wadenkähnen konnte auch noch eine sogenannte "Knüppelwinde" zum Heranwinden des Zugnetzes angebracht werden. Der letzte Fischfang mit der Wade fand 1930 statt.
Während die kleineren Kähne Eigentum jedes einzelnen Meisters waren, gehörten die großen Wadenkähne der Gemeinschaft. Seinen eigenen Kahn erhielt der junge Meister nicht selten als Hochzeitsgeschenk. Die Kähne hielten bei guter Pflege ein Menschenleben oder noch länger.
Die ältesten Fanggeräte für den stillen Fischfang dürften wohl die aus grünen Weiden geflochtenen glockenförmigen "Körbe" gewesen sein.
Diese waren etwa mannshoch und besaßen in der großen Öffnung einen trichterförmigen Einsatz, ebenfalls aus Weiden geflochten, die "Mort". Die Körbe wurden so ins Wasser gelegt, daß die Fische am Ufer entlang oder durch Netzgarn geleitet in die große Öffnung hineinsuchten. Durch das enge Trichterende fanden sie meistens nicht wieder hinaus. Verankert wurden diese Körbe, wie auch später die Garnreusen, mit Stangen, die zur Unterscheidung das Hauszeichen des Besitzers trugen.
Die Weiterentwicklung dieser Fanggeräte waren die verwendeten Garnreusen. Es wurde selbst Flachs gesponnen, um Netzgarn zu erhalten. Im vergangenen Jahrhundert begann man, Netze aus Baumwolle zu fertigen. Die Garnreusen wurden, wie auch die Weidenkörbe, dem beabsichtigten Fang entsprechend, in verschiedenen Größen hergestellt. Die Reusen lagerten, wenn sie nicht gebraucht wurden, auf den geräumigen Hausböden. Noch nicht verarbeitetes Garn wurde in großen Eichentruhen aufbewahrt.
Das schon im Zusammenhang mit den Kähnen erwähnte "Staaknetz" war ein dreifaches, sogenanntes Spiegelgarn, bei dem die beiden äußeren Netzwände aus weiten Maschen und das mittlere Netz aus engen Maschen bestand. Das mittlere Netz hing so lose zwischen den beiden äußeren,daß ein hineinschwimmender Fisch dieses enge Garn wie einen Beutel durch eine Masche des weiten Garns hindurchschob und sich darin verfing. Ein Staaknetz war etwa 15 m lang und etwa 1 1/2 m hoch. Mit mehreren Netzen wurden Schilf- oder Binsenteile umstellt und die Fische dann mit dem "Staakschacht", einer langen dünnen Holzstange mit einem dickeren Ende, aus ihrem Schilfversteck in das Netz hineingejagt.
Als Zugnetz diente die "Wade", mit der, je nach Größe des Netzes, zwei bis zehn Mann arbeiteten. DieWade war ein einfaches Netz, dessen Mitt zu einem Beutel, dem "Hamen", ausgearbeitet war. Zum Fang wurde die Wade von zwei Kähnen aus gleichmäßig in weitem Bogen um den "Tog" ausgeworfen und dann, nachdem die Kähne am Ufer mit "Heidelsticken" nebeneinander verankert waren, dorthin kreisförmig zusammengezogen. Zum Heranziehen des Netzes an die Kähne verwendete man Taue aus Hanf oder sogar aus Pferdehaar. Der Fang sammelte sich zum Schluß im Hamen.
Die Züge oder "de Töög" waren seit Generationen festliegende Orte, die alle ihre Namen hatten, wie etwa
"Borm"
"Vorn BeerbEhem"
"Voßbarger Ehert"
"KEhelhaav"
"KüterbrEhek"
"Papen Ehert"
"Papenlann"
"Hörn"
"Spekken"
"StiegbrEhek"
"Löwenwarder"
"RethEhert" oder
"Hettendiek".
Wo der Hamen ausgeworfen wurde beim Wadenzug, bestimmte der älteste Fischer, früher der Ältermann. Von einem wurde erzählt, daß der Hamen genau auf seinen ausgespuckten "Priem" (Kautabak) fallen mußte.
Nach dem Fang wurden die Fische gleichmäßig verteilt. Erst nachdem die später gegründete "Genossenschaft der Wakenitzfischer" im Jahre 1930 den ganzen Ratzeburger See durch Pachtung mit in ihr Fischereigebiet einbezogen hatte, übernahm die Fischgroßhandlung Johannes Vollert in Lübeck den Gesamtverkauf der Fänge bis auf kleine Mengen, die von den Fischerfrauen weiterhin an Privatkunden abgegeben wurden.
In früheren Zeiten hatten auch die Frauen der Wakenitzfischer ihre Stände auf dem Markt und später in der Markthalle zwischen Mengstraße und Beckergrube, wo die Gothmunder Frauen noch bis zum Zweiten Weltkrieg ihre Stände und Wasserbassins besaßen.
Den Aalfang mit der Langschnur kannte man früher auf der Wakenitz nicht. Diese Fangart wurde erst in den dreißiger Jahren von den Ratzeburger Fischern übernommen.
Auf der Wakenitz wurde der Aal mit sogenannten "Aalflaten" geangelt. Das waren Schwimmer aus Holz oder Kork, an denen eine etwa 2 bis 3 m lange Schnur mit nur einem Haken befestigt und aufgewickelt wurde.
Zum Hechtangeln verwendete man sogenannte "Puppen" aus Binsen als Schwimmer für die Angel. Etwa 400 solcher Flaten wurden frühmorgens aufgenommen, gesäubert, mit einem Köder neu besteckt und nachmittags wieder ausgeworfen.
Abends mußten "Metten" (Regenwürmer) mit der "Mettenlücht" gesucht werden, wobei die Kinder oft helfen mußten. Sie taten es auch gern, weil sie dadurch länger aufbleiben konnten.
Damit die Netze im Wasser nicht verrotteten, wurden sie mit Lohe aus Eichen- oder Erlenrinde gegerbt. Jeder Fischer hatte auf seinem Gehöft einen Lohkessel mit der gemauerten runden "Lohstelle" in der Nähe des Wassers stehen. Nachdem die rotbraune Lohe fast zum Sieden gebracht war, zog man die Netze, Tauwerk, Segel und alles was sonst noch gegen Fäulnis im Wasser geschützt werden mußte, dort hindurch, ließ es 24 Stunden in einem großen Holzbottich abgedeckt liegen und hängte am nächsten Tag alles zum Trocknen auf Pfähle. So sorgfältig imprägniert hielten die Fanggerätschaften viele Jahre.
Man hielt viel von Überliefertem und war gleichzeitig auch neuen Dingen gegenüber aufgeschlossen.
Freud und Leid
In der Familie oder im Kreise der Fischer wurde viel und gern über vergangenen Zeiten und über längst Verstorbene erzählt. Die Begriffe Familie und Verwandtschaft standen bei den Wakenitzfischern stets an erster Stelle. Das wirkte sich besonders auf die Zahl der Gäste bei Geburtstagen und anderen Feiern aus. Auch untereinander nahmen die Fischer an Freud und Leid der Familien regen Anteil. Es bestand die sogenannte "Folgepflicht". Daß heißt, daß beim Tod eines Fischers oder seiner nächsten Angehörigen alle Amtsbrüder bei der Beerdigung dem Sarg folgen mußten. Früher stellte das Amt auch die Sargträger und ein schwarzes reichbesticktes Tuch, mit dem der Sarg bedeckt wurde, das "Sarglaken". Die Frau, die es in Verwahrung hatte, hieß "Lakenolsch".
Für die "Totenlade" wurde gesammelt, um den Hinterbliebenen durch einen Geldbetrag zu helfen. Nach einer Beerdigung gingen die Fischer dann in einen Krug, um des oder der Verstorbenen bei Korn, Bier oder Grog zu gedenken. Solche "Andacht" dauerte manchmal bis zum nächsten Tag.
Daß die Fischer ihre Feste zu feiern wußten, beweisen auch die vielen Zinnkrüge, die z.T. aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts stammen, und die reich verzierten Willkommen. Ein Teil des reichhaltigen Zinngeschirres befiindet sich heute im St.-Annen-Museum in Lübeck.
Krugtag
Zum traditionellen "Krugtag" am ersten Samstag im September wurden die Zinn- und Messinggeräte von einigen Fischerfrauen auf Hochglanz geputzt, um dann beim fröhlichen Umtrunk wieder ihren alten Zweck zu erfüllen.
Seit wann die Wakenitzfischer ihren traditionellen Krugtag schon feiern, ist nicht mehr genau festzustellen. Bekannt ist nur, daß es noch vor etwa 70 Jahren bis 80 Jahren zwei Krugtage im Jahr gab. Man feierte auch noch den Maikrugtag. In alten Zeiten soll es noch einen dritten Krugtag im Jahr gegeben haben.
Der Ältermann legte sich bis 1860 noch den Gürtel des sagenumwobenen Fischers Luba um, wie es bei der "Morgensprache der Fischer" am 28.Dezember jeden Jahres in ihrem Krughaus "Tom Drakensten" in der Breiten Straße üblich war. Danach hielt er eine Rede an seine Fischerbrüder und an die geladenen Gäste. Dann kreiste der mit Braunbier gefüllte "Willkomm", man trank sich gegenseitig zu, sagte dazu einen herzhaften Spruch, und bei Blasmusik und frohen Liedern nam die Stimmung zu. Nach zwei Stunden fand der feierliche Umzug aus dem Versammlungsraum in den Saal des Festlokals statt. Hier wurde in der Zwischenzeit die große Kaffeetafel gedeckt, wo die Fischer mit ihren Angehörigen, Freunden und den geladenen Gästen wie eine große Familie beisammen waren.
Der abendliche Ball ging nicht selten bis weit über die Polizeistunde hinaus. Sollten einmal die Wellen des Frohsinns zu hoch schlagen, dann mahnte das "Regimentsholz" des Ältermanns zur Ordnung. Seit weit über hundert Jahren feierten die Wakenitzfischer gemeinsam mit ihren Fischerbrüdern aus Gothmund ihren Krugtag.
Die Sage vom Fischer Luba
Im Jahre 1066 erhoben sich an der Travemündung die Wenden gegen ihre Unterdrücker, beseitigten ihren allzu willfährigen König Gottschalk und erwählten Kruto, den Fürsten von Rügen, zu ihrem Oberhaupt. Dieser ließ auf dem Werder zwischen Trave und Wakenitz alsbald eine Burg mit festen Mauern und Türmen errichten und nannte sie, weil ringsum prächtige alte Buchen standen, Buku oder auch Bukowitz.Einmal war Kruto fern von seiner Burg auf See. Diese Gelegenheit wollte Buthue, der Sohn des einstigen Königs Gottschalk, benutzen, um seinen Vater zu rächen. Mit Hilfe der Sachsen rüstete er ein paar Dutzend Kriegsknechte aus, zog vor die Burg und schnitt jegliche Zufuhr ab. Die völlig überraschten Bewohner hatten keinerlei Lebensmittelvorräte. Fast wäre die Burg in die Hand des Feindes gefallen, hätte sie nicht ein Fischer mit kluger List davor bewahrt. Er trug alles, was er in der Burg noch an Brot, Fleisch und anderer Nahrung auffinden konnte, zusammen. Es war wenig genug, gemessen an der Zahl der Leute, doch belud er seinen kleinen Kahn damit so, daß alles gleich zu sehen war, und fuhr direkt auf die Schiffe der Feinde los, die dort die Trave sperrten.Er wurde angehalten, und die Feinde wiesen erstaunt auf den Proviant und fragten, was er damit wolle. Er gab Bescheid, sie hätten davon in der Burg noch reichlich und er wolle ihn in den Dörfern der Umgebung verkaufen.Das hatten die Feinde nicht erwartet, ihre Gesichter wurden lang. Einnehmen ließ sich die neue, festgebaute Burg auf keinen Fall, hatte die Belagerung denn überhaupt noch Sinn? Am besten, man zog davon, ehe Kruto heimkehrte und es womöglich zu offenem Kampf kam.In der Burg konnte man die gute Nachricht bei der Rückkehr des Fischers kaum fassen, aber es war schon so, die Belagerung war aufgehoben und die Burg damit gerettet. Für seine Tapferkeit erhielt der Fischer einen Wunsch frei. Er bat für sich und die anderen Fischer der Ansiedlung um das Recht, sie allein sollten künftig lebende Fische öffentlich feilbieten dürfen. Das wurde ihm gern gewährt. Dazu nannte man nach ihm, der den Namen Luba trug, die Burg und dann auch die neue Stadt. Daher heißt sie Lübeck bis auf den heutigen Tag.